Obamas geheimer Brief an Teheran: « Die Straße nach Teheran führt über Damaskus »

Ein geheimer Brief Obamas an die iranische Führung deutet darauf hin, dass der Überfall auf den Iran so lange aufgeschoben werden soll, bis das mit dem Iran verbündete Syrien völlig destabilisiert ist.

Die New York Times hat darüber informiert, dass die Obama-Regierung am 12. Januar 2012 einen wichtigen Brief an die iranische Führung gerichtet hat.

(1) Eine Kopie des Briefes wurde Mohammed Khazaee, dem iranischen Botschafter bei den Vereinten Nationen, von Susan Rice, der US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, in New York City übergeben,

(2) eine zweite Kopie des Briefes wurde in Teheran von Livia Leu Agosti, der Bot- schafterin der Schweiz im Iran, übergeben und

(3) eine dritte Kopie ging dem Iran über (den irakischen Staatspräsidenten) Dschalal Talabani zu.

In dem Brief stellte das Weiße Haus die Position der USA dar; nach Meinung iranischer Offizieller ist er aber ein Beleg für die realistische Erkenntnis: Die USA können es sich jetzt nicht leisten, einen Krieg gegen den Iran zu führen.

In dem Brief, den Präsident Barack Hussein Obama unterzeichnet hat, schlagen die USA die Aufnahme von Verhandlungen zwischen Washington und Teheran vor, mit dem Ziel, die Feindschaft zwischen dem Iran und den USA zu beenden.

“In seinem Brief bekundet Obama seine Bereitschaft zu Verhandlungen, mit denen bestehende Meinungsverschiedenheiten beseitigt werden könnten,” teilte Ali Motahari, ein iranischer Parlamentarier, der (iranischen) Mehr News Agency mit. [3]

Nach Aussage Hussein Ebrahimis, eines anderen iranischen Parlamentariers, der stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für Nationale Sicherheit und Außenpolitik des iranischen Parlamentes ist, enthält der Brief Angebote zur Kooperation zwischen Washington und Teheran und zu Verhandlungen auf der Basis gemeinsamer Interessen. [4]

In dem Brief hat Obama Teheran auch zu versichern versucht, dass sich die USA nicht an einer feindlichen Aktion gegen den Iran beteiligen würden. [5] Zur gleichen Zeit gab das Pentagon die Verschiebung eines geplanten Großmanövers mit Israel bekannt.

Die Iraner halten das Angebot jedoch für bedeutungslos, weil die Aktivitäten der Obama-Regierung gegen den Iran bisher immer im Widerspruch zu ihren Versicherungen standen. Außerdem glaubt der Iran, dass die USA vor einem Angriff auf den Iran zurück – schrecken, weil sie wissen, dass sie ein Krieg mit einem Gegner wie dem Iran teuer zu stehen käme und viel zu riskante Folgen hätte.

Das bedeutet jedoch nicht, dass damit ein Krieg zwischen den USA und dem Iran ausgeschlossen wäre und nicht mehr stattfinden könnte. Die Entwicklung kann in beide Richtun- gen gehen. Es bedeutet auch nicht, dass die Obama-Regierung und ihre Verbündeten derzeit keinen Krieg gegen den Iran führen. In Wirklichkeit liegen Washington und seine Verbündeten schon lange im Krieg mit dem Iran und dessen Verbündeten – in der digitalen Welt, auf Fernsehkanälen, in den Tälern Afghanistans und in den geschäftigen Straßen Beiruts und Bagdads.

Der Krieg gegen den Iran hat schon vor Jahren begonnen

Der Krieg gegen den Iran nahm nicht erst 2012 oder 2011 seinen Anfang. Ein Artikel, der 2010 im “Newsweek Magazine” erschien, hatte die Überschrift: “Morde, Cyberangriffe, Sabotage – hat der Krieg gegen Teheran bereits begonnen?” Die Feindseligkeiten gegen den Iran setzten wohl schon 2006 ein.

An Stelle eines direkten Angriffs auf den Iran haben die USA einen verdeckten Krieg und mehrere Stellvertreterkriege gestartet. Den verdeckte Krieg führen Geheimdienste mit Cyberangriffen, Computerviren, geheimen Militäroperationen, Spionen, Mördern, Agents Provocateurs und Saboteuren. Die Entführung und Ermordung iranischer Wissenschaftler und Militärführer, die vor mehreren Jahren begannen, sind Teil dieses verdeckten Krieges. In diesem Schattenkrieg wurden iranische Diplomaten im Irak verschleppt und Iraner, die Georgien, Saudi-Arabien oder die Türkei besuchten, festgenommen oder entführt. Auch syrische Offizielle, mehrere Palästinenser und der Hisbollah-Vertreter Imad Fayez Mughniyeh sind diesem Schattenkrieg zum Opfer gefallen.

Die Stellvertreterkriege begannen 2006, als Israel den Libanon mit der Absicht angriff, den Krieg auf Syrien auszuweiten. Der Weg nach Damaskus führt über Beirut, und über Damaskus will man nach Teheran kommen. Als man nach dem (israelischen) Misserfolg 2006 erkannte, dass Syrien der Dreh- und Angelpunkt des vom Iran unterstützten Widerstandes (der Hisbollah) ist, versuchten die USA und ihre Verbündeten in den nächsten fünf bis sechs Jahren, die Verbindungen zwischen Syrien und dem Iran zu kappen.

Auch an der diplomatischen und wirtschaftlichen Front versuchen die USA den Iran und seine Verbündeten durch die Manipulation internationaler Gremien und hilfswilliger Staaten zu schwächen. Die ab 2011 in Syrien inszenierte Krise ist, geopolitisch betrachtet, auch Teil des Krieges gegen den Iran. Sogar das von den USA und Israel geplante gemeinsame Großmanöver Austere Challenge 2012 (Ernste Herausforderung 2012) und die dabei vorgesehene Verlegung von US-Truppen (nach Israel) zielten hauptsächlich auf Syrien und sollten die Ausschaltung dieses iranischen Verbündeten vorbereiten.

Syrien im Auge des Sturms

Mit psychologischem Druck auf den Iran will Washington erreichen, dass er sich von Syrien distanziert, damit die USA und ihre Kohorten über dieses Land herfallen können. Bis Anfang Januar 2012 haben sich die Israelis unaufhörlich auf eine Invasion Syriens vorbereitet, um Revanche für die Schlappe von 2006 nehmen zu können; währenddessen haben Vertreter der USA und der EU ständig versucht, in Verhandlungen einen Keil zwischen Damaskus und Teheran und dessen andere Verbündete zu treiben. Die Syrier sind aber standhaft geblieben.

“Foreign Policy” veröffentlichte im August 2011 einen Artikel, der sich mit der Einstellung des saudischen Königs zu Syrien im Zusammenhang mit einem Angriff auf den Iran befasste: “Der König weiß, dass außer dem Zusammenbruch der Islamischen Republik selbst, der Iran durch nichts so sehr geschwächt würde, wie durch die Ausschaltung Syriens.” [7]

Ob Abdul Aziz Al-Saud diese Meinung tatsächlich vertreten hat oder nicht, ist nicht so wichtig; diese strategi – sche Begründung steckt jedenfalls hinter der betriebenen Destabilisierung Syriens. Einige Monate nach dem Erscheinen des Artikels in “Foreign Policy” hat Obamas eigener Sicherheitsberater im November 2011 das Gleiche gesagt. In einer Rede tönte Sicherheitsberater Donilon: “Das “Ende des Assad-Regimes wäre ein großer Rückschlag für den Iran – eine strategische Niederlage, welche die Machtverhältnisse in dieser Region zuungunsten des Irans verändern würde.” [8]

Auch Erklärungen des Kremls bestätigen die Ansicht, dass Washington die Verbindungen zwischen Syrien und seinem iranischen Verbündeten kappen möchte. Einer der höchsten für die Sicherheit Russlands Verantwortlichen hat gesagt, Syrien werde wegen seiner strategischen Verbindung mit dem Iran bestraft. Nikolai Platonowitsch Patruschew, der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates der Russischen Föderation, hat öffentlich festge- stellt, Washington übe nur aus geopolitischen Gründen Druck auf Syrien aus, weil es dessen Verbindung zum Iran zerstören wolle, und nicht aus irgendwelchen humanitären Besorgnissen heraus. [9]

Der Iran hat bereits signalisiert, dass er im Falle eines Angriffs auf Syrien nicht zögern werde, seinem Verbündeten militärischen Beistand zu leisten. Washington möchte das gern verhindern. Das Pentagon will erst Syrien schlucken, um anschließend dem Iran seine volle, ungeteilte Aufmerksamkeit widmen zu können. Das Pentagon möchte seine Ziele lieber nacheinander erreichen. Die US-Militärdoktrin sah bisher zwar die gleichzeitige Führung mehrerer Krieg auf unterschiedlichen Schlachtfeldern vor, und das Pentagon ließ viele Pläne dazu erarbeiten; in Wirklichkeit sind die USA aber nicht in der Lage, gleichzeitig konventionelle Kriege gegen den Iran und Syrien zu führen, geschweige denn jetzt schon einen großen Krieg gegen Russland und China, die Verbündeten des Irans, zu riskieren. Der Marsch in den Krieg ist jedoch alles andere als beendet. Vorerst wird die US-Regierung nur ihren Schattenkrieg gegen den Iran fortsetzen und ihn auf medialem, diplomatischem und wirtschaftlichem Gebiet sogar noch verschärfen.

Mahdi Darius Nazemroaya ist Soziologe und ein mit Preisen ausgezeichneter Autor. Er arbeitet für des Centre for Research on Globalization in Montreal und ist spezialisiert auf den Mittleren Osten und Zentralasien. Er hat als Autor und Gast für mehrere internationale Foren und Sender wie Al Jazeera, Press TV und Russia Today Beiträge über den Mittleren Osten verfasst. Seine Arbeiten wurden in mehr als zehn Sprachen veröffentlicht. Er schreibt auch für die Strategic Culture Foundation (SCF) in Moskau.

Übersetzung: Wolfgang Jung.

Anmerkungen

[1] Elisabeth Bumiller et al., “US sends top Iran leader warning on Hormuz threat,” The New York Times, January 12, 2012.
[2] Mehr News Agency, “Details of Obama’s letter to Iran released,” January 18, 2012.
[3] Ibid.
[4] Ibid.
[5] Ibid.
[6] Yakkov Katz, “Israel, US cancel missile defense drill,” Jerusalem Post, January 15, 2012.
[7] John Hannah, “Responding to Syria: The King’s statement, the President’s hesitation,” Foreign Policy, August 9, 2011.
[8] Natasha Mozgovaya, “Obama Aide: End of Assad regime will serve severe blow to Iran,” Haaretz, November 22, 2011.
[9] Ilya Arkhipov and Henry Meyer, “Russia Says NATO, Persian Gulf Nations Plan to Seek No-Fly Zone for Syria,” Bloomberg, January 12, 2012.



Articles Par : Mahdi Darius Nazemroaya

A propos :

An award-winning author and geopolitical analyst, Mahdi Darius Nazemroaya is the author of The Globalization of NATO (Clarity Press) and a forthcoming book The War on Libya and the Re-Colonization of Africa. He has also contributed to several other books ranging from cultural critique to international relations. He is a Sociologist and Research Associate at the Centre for Research on Globalization (CRG), a contributor at the Strategic Culture Foundation (SCF), Moscow, and a member of the Scientific Committee of Geopolitica, Italy.

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